Warum wollen wir die Buga nicht!

Fragen der Zukunft sollten sich auf unsere Bildungseinrichtungen konzentrieren, auf die gleichwertige Entwicklung aller Stadtteile, auf den Nahverkehr, den Klimaschutz und auf die Digitalisierung der Verwaltung. Hat uns Corona nicht gezeigt, worauf es wirklich ankommt? Eine Gartenausstellung, eine Brücke, ein Stadtpark - alles konzentriert rund um die Warnow - sind keine Antworten auf die Zukunft unserer Stadt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, 

werte Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrter Herr Madsen,

uns eint, dass wir mit Emotionen an das Thema herangehen. Nur schlagen meine in eine ganz andere Richtung. In den letzten Wochen hat mich auch deshalb immer wieder die Frage beschäftigt: Was sehe ich nicht? Warum glauben Sie so sehr an die BUGA und wir nicht? 

Inzwischen weiß ich, dass das die falsche Frage war. Jetzt lautet sie: Was ist uns morgen wichtig?

Die Landesregierung hat ihren neuesten Haushalt vorgelegt und setzt Schwerpunkte: Bildung und Wissenschaft, Gesundheit, die Unterstützung der Kommunen in der Krise und natürlich die Digitalisierung. 

Richtig, aus meiner Sicht. Denn es ist jetzt die Zeit gekommen, Schwerpunkte zu setzen, Zukunftsfragen zu stellen.

Eingeschränkt durch Reiseverbote, zunehmende Risikogebiete und steigende Fallzahlen, einen wirtschaftlichen Tiefpunkt - blicken wir alle in eine Glaskugel. Niemand kann sicher sagen, wie sich die aktuelle Zeit entwickelt, wie lange uns das Virus noch belastet. „Wir sind nicht auf Rosen gebettet!“, wurde mir vorhin entgegnet. Das gebe ich nun zurück: Wir sind nicht auf Rosen gebettet.

Und in so einer ungewissen Zeit muss sich Rostock fragen, was wirklich wichtig ist. Sie glauben, dies mit der Buga zu tun, aber die Buga ist aus unserer Sicht weder eine Zukunftsfrage noch eine Antwort. 

Fragen der Zukunft sollten sich auf unsere Bildungseinrichtungen konzentrieren, auf die gleichwertige Entwicklung aller Stadtteile, auf den Nahverkehr, den Klimaschutz und auf die Digitalisierung der Verwaltung. Hat uns Corona nicht gezeigt, worauf es wirklich ankommt? Eine Gartenausstellung, eine Brücke, ein Stadtpark - alles konzentriert rund um die Warnow - sind keine Antworten auf die Zukunft unserer Stadt.

Ja, auch wir können den Stadthafen gut leiden. Ja, auch wir sehen sein Potential und den Wunsch, dass er sich entwickelt. Wir haben nichts gegen Stadtentwicklung. Im Gegenteil. Ihr Mantra, es ginge doch um Stadtentwicklung, stößt bei uns nicht auf taube Ohren! Aber ist es jetzt wirklich wichtig – und das ist die Frage die wir uns stellen - mehr als 140 Mio. Euro öffentlicher Gelder rund um den Stadthafen zu verbauen? 

Ich glaube nicht.

Und da wir gerade über‘s liebe Geld reden: Sie werden mir gleich antworten, es gäbe enorme Fördermittel und auf diese dürfe man nicht verzichten. Als wäre eine gute Fee gekommen und schwupp, fielen die Millionen vom Himmel. Diese Gelder sind öffentliches Geld, Steuergeld, und natürlich müssen wir fragen, ob es angemessen ist, so viel Geld am Stadthafen zu verbauen und eine Gartenausstellung zu finanzieren. Und ja, wenn wir uns gegen die Buga entscheiden, dann werden nicht alle Fördermittel des Landes in Rostock bleiben. Das stimmt. Aber vielleicht hätten wir die Chance, auch Schwerpunkte zu setzen und mit dem Land in andere Zukunftsprojekte zu investieren.

Übrigens: Das vermeintliche Problem, Fördermittel gehen verloren, wenn wir das jetzt nicht machen, war und ist Ihnen an anderer Stelle doch auch egal. Stichwort Verwaltungsneubau. Und haben nicht Sie, Herr Madsen, im Zusammenhang mit den 8 Millionen des Landes zur Bekämpfung von Segregation gesagt: Sie machen nichts, nur weil es Mittel gibt, wenn Sie es falsch finden?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 

Rostock füllt seit Jahren eine lange Liste mit Vorhaben, die die Stadt vor sich her schiebt, statt umzusetzen. 

Warum, fragen wir uns, wurde der Bürgerschaft eine Liste vorgelegt, auf der wir ankreuzen sollten, welche Investitionen für uns Priorität haben oder auch nicht? Weil man eben nicht glaubt, alles gleichzeitig zu schaffen. Weil wir uns entscheiden sollten, was für uns besonders wichtig ist und was warten kann. Weil die Kraft eben nicht endlos ist. Auch wenn Herr Finanzsenator neuerdings in der Presse zum Ausdruck bringt, Rostock könne ohne Ende investieren, zur Not würde man einfach noch mehr Kredite aufnehmen. Irritierend, kurz nach dem Vorlegen einer solchen Prioritätenliste. Ich kann Ihnen versprechen, wenn der nächste Haushalt kommt, werden wir genau hinschauen, genau vergleichen und Sie wiederum an all Ihre Versprechen erinnern.

Denn wir fürchten, dass andere Projekte in den Stadtteilen zurückstehen müssen, wenn sich Geld und Planungskräfte auf die Buga konzentrieren. Auch mit Blick auf den Investitionsstau in der Stadt, den üblichen langwierigen Genehmigungsverfahren, die ausgelastete Bauwirtschaft, die fehlenden Ingenieure, Planer und und und. Wir glauben den Versprechungen nicht, dass alles gleichzeitig und in kürzester Zeit zu schaffen ist. Eine neue Schwimm- und Eishalle – und ja, wir haben auch davon gehört, dass uns eine Eishalle gesponsert wird, wir werden ja sehen, wie die Konditionen im Detail aussehen – was ist mit den dringend notwendigen Straßenbahnen und zukünftigen neuen Strecken, Kitas, Schulen, Gehwege, die teure Digitalisierung - die Liste ist einfach zu lang. Und aktuellste Vorlagen der Verwaltung beweisen es doch: wieder verschieben sich Investitionen aufgrund von Verzögerungen bei den B-Planverfahren. Wieder wurden Mittel nicht ausgereicht, Vorhaben nicht umgesetzt. Aber klar, ab heute, ab heute schaffen wir dann alles? Die Buga-Projekte und alles andere? – zeitgleich? Natürlich!

An dieser Stelle möchte ich an weitere offene Fragen erinnern: Was ist mit dem Groten Pohl? Was ist, wenn das Theater teurer wird? Oder die Buga teurer wird? Was ist mit den anstehenden Schulsanierungen, für die wir keine Fördermittel bekommen? In der Innenstadt sind es 4 Schulen! Wann kommt eigentlich das Stadion? Wie schnell wollen Sie wie viele Radwege bauen? Welche Klimaschutzmaßnahmen will Rostock finanzieren? Und wie? 

Die Logik ist doch ganz einfach: 

Eine Buga mit allen Projekten wird nur dann funktionieren, wenn alle Ämter alles andere beiseite legen und sich nur noch auf die Buga-Vorhaben konzentrieren. Alle Ressourcen müssten gebündelt werden und dann ist die Folge, das andere Vorhaben hinten runterfallen. Sonst schaffen Sie es ja gar nicht!

Ich kann mir nicht vorstellen, mit Blick auf die letzten Jahre und alle Verzögerungen, mit Blick auf die Corona-Krise, mit Blick auf den Investitionsstau, dass Sie wirklich glauben, all ihren Zielen in ihren Wahlprogrammen gerecht zu werden, wenn Sie sich jetzt für die Buga entscheiden. Das Wahlprogramm der GRÜNEN umfasst auf 58 Seiten jede Menge Vorhaben, die wohl auch irgendwie finanziert werden müssen. Das Meiste hat mit dem Klimaschutz zu tun. Und jetzt eine Buga? Warum? Im Wahlprogramm der SPD steht: „Besonders bei der Umsetzung neuer Wohngebiete wollen wir darauf achten, dass eine wohnortnahe Versorgung mit allen sozialen, medizinischen und schulischen Einrichtungen möglich ist. Die Stadtteilbegegnungszentren haben sich bewährt. Wir wollen diese weiter stärken und ausbauen.“ Klingt gut. Was machen wir nun mit den SBZ, die aus allen Nähten platzen und erweitert werden müssen? 

Die CDU schrieb: „Die Straßenbeleuchtung ist zu überprüfen und auszubauen. Dunkle Straßenzüge und schlecht beleuchtete Plätze müssen der Vergangenheit angehören.“ Wie weit sind wir bei diesen Investitionen? „Sozial- und Jugendarbeit muss stärker auf der Straße stattfinden“, forderten sie. Gibt es schon neues Personal dafür? 

„Bauanträge sollen maximal innerhalb von drei Monaten geprüft werden.“ Sind wir da schon? Und klappt das bei der Buga?

Verstehen Sie mich nicht falsch! Auch wir haben noch nicht alles angepackt, was in unserem Wahlprogramm steht! Aber wir beschließen auch keine Buga. Wir beantworten die Frage, was morgen wichtig ist, auf jeden Fall anders.

Danke 

Die komplette Rede finden Sie: hier